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Kategorie: Arbeit + Personal
| 08:52 Uhr

Beitrag: Loud Quitting und Arbeitsrecht

von Rechtsanwalt Johannes Zimmermann, Fachanwalt für Arbeitsreht


Dass Arbeitsverhältnisse bisweilen unharmonisch enden, ist keine Neuheit. Durchaus neu ist aber der Begriff Loud Quitting für eine besondere Art des unfriedlichen Abschieds von Arbeitnehmern, die in jüngerer Vergangenheit im Trend liegen soll, jedenfalls aber gehäuft in den Medien thematisiert wird. Da es sich um Vorkommnisse rund um die Beendigung von Arbeitsverhältnissen handelt, weist das Thema durchaus arbeitsrechtliche Relevanz auf.

Was ist Loud Quitting?

Loud Quitting beschreibt das Phänomen, dass zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses entschlossene Arbeitnehmer ihren Abschied lautstark und öffentlich verkünden, gar öffentlich erklären oder durch lautstarke Kritik am Arbeitgeber provozieren indem sie ihrem angestauten Unmut freien Lauf lassen.

 Loud Quitting ist nicht das Gegenteil von Quiet Quitting, bei dem der Arbeitnehmer „Dienst nach Vorschrift“ macht, also seinen Einsatz auf das absolute Minimum reduziert. Eine solche Beschränkung der Arbeitsleistung können auch Loud Quitter aufweisen, nur eben in Kombination mit lautstarker, öffentlicher Kritik am Arbeitgeber.

Ist Loud Quitting legal?

 Da Loud Quitting lediglich der Oberbegriff einer Vielzahl möglicher Verhaltensweisen ist, kann es keine pauschale Antwort auf die Frage geben, ob Loud Quitting legal ist. Grundsätzlich ist es jedenfalls rechtlich nicht zu beanstanden, wenn ein Arbeitnehmer seine Meinung äußert, auch wenn dies öffentlich geschieht – jedenfalls solange er keine unwahren Tatsachen behauptet und die Grenze zur Schmähkritik nicht überschreitet.

 Allerdings gilt dieser Grundsatz im Arbeitsrecht nicht uneingeschränkt. Das Arbeitsrecht ist als schuldrechtliche Verbindung auch von Treue- und Rücksichtnahmepflichten geprägt. So kann sich etwa eine an sich berechtigte Strafanzeige eines Arbeitnehmers im Einzelfall als unzulässig darstellen, wenn sich der Arbeitnehmer nicht vorrangig um eine innerbetriebliche Klärung bemüht hat (BAG, 03.07.2003 – 2 AZR 235/02), da der Arbeitgeber die Pflicht hat, die Interessen des Arbeitgebers zu wahren und diesem nicht zu schaden. Dies gilt umso mehr, wenn der vom Arbeitnehmer verfolgte Zweck nicht die zulässige Ausübung seiner Rechte, sondern die Schädigung des Arbeitgebers ist.

Vergleichbar ist die Situation, wenn Arbeitnehmer auf echte oder vermeintliche Missstände öffentlich hinweisen, etwa in Social Media oder mittels eines Rundschreibens, ohne zuvor eine innerbetriebliche Klärung versucht zu haben. Auch die Verbreitung nur im Intranet wird man ähnlich und nicht als Versuch der innerbetrieblichen Klärung behandeln müssen, jedenfalls wenn auch Mitarbeiter eingebunden werden, in deren Zuständigkeit die Klärung nicht liegt.

Entscheidend für die rechtliche Beurteilung des Loud Quitting sind also die konkreten Verhältnisse des Einzelfalls.

Kündigung vor laufender Kamera

 Eine beliebte Form des Loud Quitting soll auch die Kündigung vor laufender Kamera sein. Die anschließende Verbreitung eines solchen Videos ist sicherlich eine höchst dramatische Form des Abgangs. Sie ist allerdings nicht unproblematisch:

  • Zeigt das Video neben dem Arbeitnehmer auch den Arbeitgeber, wie dieser die Kündigung erhält, verletzt dies regelmäßig dessen Persönlichkeitsrechte.
  • Soll hingegen nicht die Übergabe eines Kündigungsschreibens gezeigt werden, sondern die Videobotschaft selbst die Kündigung enthalten, wahrt dies nicht die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform – mit dem Ergebnis, dass keine wirksame Kündigung erklärt wird.
  • Zeigt das Video hingegen lediglich das Kündigungsschreiben selbst, oder wie der Arbeitnehmer es verfasst, ist dies rechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, dürfte aber regelmäßig die erhoffte Dramatik verfehlen.

Wie kann der Arbeitgeber reagieren?

 Auch anderen Erscheinungsformen von Loud Quitting sind Arbeitgeber nicht schutzlos ausgeliefert und haben mehrere Reaktionsmöglichkeiten, deren Erfolgsaussichten aber vom Einzelfall abhängen.

  • Ist das Arbeitsverhältnis ungekündigt, können Abmahnung und Kündigung probate Mittel gegen störendes Verhalten des Arbeitnehmers sein. Dies gilt auch dann, wenn dieser die Kündigung gerade provozieren will, jedenfalls wenn dem Arbeitgeber die Wahrung des Betriebsfriedens wichtiger ist als der Sieg in einem Kleinkrieg.
  • Ist das Arbeitsverhältnis bereits gekündigt, aber noch nicht beendet, kommt – je nach Intensität der Pflichtverletzung – auch eine vorzeitige Beendigung durch außerordentliche und fristlose Kündigung in Betracht.
  • Unwahre und beleidigende Behauptungen kann der Arbeitgeber auch mit Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen abwehren.

Häufig wird es aber auch Fälle geben, in denen das Verhalten des Arbeitnehmers nicht rechtswidrig, sondern nur vom Arbeitgeber nicht erwünscht ist. In geeigneten Fällen kann für den Arbeitgeber die Lösung in einer räumlichen Trennung liegen, wenn die „lauten“ Verhaltensweisen nur vor Ort stattfinden und die räumliche Trennung möglich ist (z.B. Home Office, mobile Office, Versetzung). Häufig dürfte eine unmittelbare Beendigung der Verhaltensweise des Arbeitnehmers aber schwierig werden.

Für den Arbeitnehmer kann sich sein Verhalten aber im Arbeitszeugnis rächen. Dem Arbeitgeber stehen dabei einige – teilweise rechtlich schwer angreifbare – Mittel zur Verfügung, dem Arbeitnehmer die berufliche Zukunft zu erschweren. Da sich ein qualifiziertes Arbeitszeugnis gemäß § 109 Abs. 1 S. 2 GewO auf Angaben zu Leistung und Verhalten erstreckt, ist es nur konsequent, wenn sich Leistung und Verhalten während der Zeit des Loud Quitting im Zeugnis widerspiegeln, wenn diese zwar nicht rechtswidrig aber eben auch nicht gut waren.

Wird der Arbeitnehmer erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses laut, hat er sein Zeugnis zu diesem Zeitpunkt regelmäßig bereits erhalten, kann allenfalls noch geprüft werden, ob die Vorkommnisse zum Widerruf des Zeugnisses berechtigen. Hierzu ist der Arbeitgeber berechtigt, wenn er nach Ausstellung des Zeugnisses von Tatsachen erfährt, die seine Bewertung in wesentlichen Punkten unrichtig erscheinen lassen. Ob und inwieweit dies auch für Ereignisse gilt, die zwar ihren Ursprung im Arbeitsverhältnis haben, aber erst nach dessen Beendigung eingetreten sind, ist aber noch weitgehend ungeklärt. 

Selbstkritik vor Abwehr 

Ob die rechtliche Verteidigung gegen Loud Quitting eine gute Entscheidung ist, sollte der Arbeitgeber sorgfältig prüfen. Die Erfolgsaussichten rechtlicher Schritte sollten dabei aber nicht der alleinige Maßstab sein. Denn mit seinem offensiven Verhalten möchte der Arbeitnehmer regelmäßig auf vermeintliche Missstände im Unternehmensmanagement aufmerksam machen. Der Arbeitgeber tut daher im eigenen Interesse gut an einer Prüfung, ob die Kritik inhaltlich berechtigt und eine Verbesserung der Arbeitsumstände angezeigt ist. 

Beruht die Kritik hingegen auf einer groben Fehleinschätzung oder völlig überzogenen Vorstellungen des Arbeitnehmers oder schwingt sich dieser ungebeten zum Anwalt der gesamten Belegschaft auf, wird der Arbeitgeber die Herausforderung annehmen und den Rückgriff auf juristische Mittel ernsthaft in Erwägung ziehen müssen.